Die Frauen der Special Operations Executive

23.04.2020
(offizieller Tarnname „Inter Services Research Bureau“)
special operation executive
special operation executive

image

Die „Special Operations Executive“ wurde im Juli 1940 auf Initiative von Winston Churchill gegründet. Sie war eine geheime britische nachrichtendienstliche Spezialeinheit mit der Aufgabe der Sabotage hinter den feindlichen Linien und der Unterstützung und Versorgung von lokalen Widerstandsgruppen, angelehnt an Strategien der IRA.

Etwa 6000 Personen, darunter etwa 500 Frauen, waren für die SOE tätig; ab Ende April 1942 waren Frauen auch im aktiven Dienst bei Einsätzen zugelassen, wobei schon damals einzelne Frauen in anderen Diensten im Einsatz waren. Die SOE hatte Abteilungen (Sections) für jedes Land dieses Weltkrieges. In manchen Ländern arbeiteten nur wenige Agentinnen und Agenten, in anderen waren es hunderte. Geplant war zwar in erster Linie der Einsatz von britischen StaatsbürgerInnen. Doch da die absolute Kompetenz der Sprache des Ziellandes wesentlich war, wurde dieses Ziel schnell aufgegeben.

Männer und Frauen wurden gleichermaßen in Spionagetechniken, Selbstverteidigung, dem Umgang mit Sprengstoffen und Waffen ausgebildet; Frauen wurden oft als Funkerinnen oder Kuriere eingesetzt.

Dominiert wird das Wissen über die SOE und der dort aktiven Frauen noch durch die Publikationen zur britischen Section F für Frankreich. Die Ursache lag im Engagement von Vera Atkins, einer der Führungspersonen der Sektion für die dort im Einsatz vermissten Agentinnen. Schon im Sommer 1944 machte sie sich auf die Suche nach diesen Frauen – und hätte sie dies nicht getan, wäre deren Schicksal wohl nie geklärt geworden, denn viele Spuren verloren sich sehr schnell - und eine ganze Zahl der Täter und Verantwortlichen wurde hingerichtet. Doch noch nicht einmal das Schicksal aller 39 Frauen dieser Section F ist umfassend erforscht, von manchen gibt es noch nicht einmal ein Foto. Man nennt diese Frauen oft „britische Fallschirmspringerinnen“, aber die Frauen kamen wahrlich aus allen Ecken der Welt, von Neuseeland, Shanghai, Moskau, Chemnitz – und viele aus Frankreich.

Erschreckend wenig ist über die anderen Abteilungen bekannt, und es ist wohl so, dass hier weiße Stellen bleiben werden. Sichtbar wird dies schon bei der Parallelsektion in Frankreich, der Section RF, die unter französischer Leitung stand, aber in der Ausbildung und den Einsätzen absolut vergleichbar war. Erkennbar wird dies auch in Ravensbrück, wo viele Frauen aus verschiedenen Sektionen der SOE nach ihrer Gefangenname inhaftiert waren. Diese Frauen werden oft als „französische Fallschirmspringerinnen“ bezeichnet - was im Hinblick auf die Staatsbürgerschaft stimmt, doch hier waren auch Frauen aus Nordafrika im Einsatz, mit einer ganz eigenen Geschichte.

Von 10 dieser Frauen ist ihre Hinrichtung in Ravensbrück oder der Tod in der Gaskammer bekannt:
Hingerichtet wurden am 18. Januar 1945 Marie-Louise Cloarec, Eugenie Djendi (aka Jenny Silvani), Suzanne Mertzisen und Pierrette Louin (aka Pierrette Salinas) der Section RF, zeitnahe darauf Violette Szabo, Denise Bloch und Lillian Rolfe der Section F. In der Gaskammer starben Germaine und Madelaine Tambour und Ciceliy Lefort (Section F). Sie gingen den Weg über das Uckermark-Lager. Yvonne Rudellat überlebte als „Jaqueline Gauthier“ die Haft in Ravensbrück, starb aber kurz nach den Befreiung unter dem Decknamen in Bergen Belsen.

3 aktive Frauen der beiden Sektionen, darunter Odette Sansom überlebten, einer vierten, Eileen Nearne, gelang kurz vor Kriegsende gar die Flucht aus einem Außenlager. In Ravensbrück finden sich aber weitere Frauen, die als Fallschirmspringerinnen oder Agentinnen ausgebildet waren und zum Teil mit der SOE direkt verbunden waren. Olga Prestes war zwar nicht eine Agentin der SOE, aber sie ist die berühmteste dieser Frauen in Ravensbrück, andere, wie „Helena“, deren Hinrichtung in den Unterlagen von Ravensbrück dokumentiert ist, warten noch auf ihre abschließende Erforschung.

1946 wurde die SOE aufgelöst, Akten wurden vernichtet oder verschwanden als Geheimsachen. Viele der Frauen erhielten nie oder sehr spät eine Würdigung ihres Einsatzes, gerade die Frauen aus Nordafrika wie die hingerichtete Eugenie Djendi oder die überlebende Jeanne Mereau sind Beispiele für dieses Vergessen – und darum war das Anliegen von** Vera Atkins**, schon sich 1944 sich für Frauen ihrer Abteilung einzusetzen, entsprechend zu würdigen als Beitrag zur Wahrnehmung der Geschichte von Frauen -besonders in einem Gebiet, in dem Rollenmodelle und Wahrnehmungen noch sehr vom Male Gaze geprägt sind.

*Empfohlene Literatur * Eine ganze Reihe von Publikationen behandelt die SOE und die früher gegebene Dominanz der SOE F lässt nach. Noch gibt es wenige, die die sich mit den frauengeschichtlichen oder feministischen Aspekten befasst, die aber – sei es an Einzelschicksalen wie Vera Atkins oder Eugenie Djendi, sei es an gesellschaftlichen Fragen wie bei dem Einsatz der Frauen in Frankreich – besonders den Merlinettes – sofort ins Auge fallen.

Monika Siedentopf „Absprung über dem Feindesland“ (dtv) bietet einen guten Einstieg – allerdings mit Schwerpunkt auf die im Einsatz gestorbenen Frauen der Sektion F. Sie beschreibt gut gefasst die Hintergründe von Verrat und Denunziation , die das Geschehen stark prägten. Eine umfassende aktuelle wissenschaftliche Erfassung und Auswertung dieser Vorgänge steht noch aus. Aber die Dokumentation, die Siedentopf mitliefert, bietet schon eine solide Basis.

Arne Molfenter u. Rüdiger Strempel „Der Finsternis entgegen“ (Dumont) bietet ausführliche Einzelschicksale der Frauen der Sektion F

Bernhard O´Connor „SOE Heroines“ (Amberley) behandelt zwar ausführlich auch die Frauen der Section RF, aber teilweise fallen grobe Recherchefehler auf.

Sarah Helm hat in mehreren deutschen und englischen Publikationen die SOE zum Thema, so in „Ohne Haar und ohne Namen“ zu Ravensbrück, oder in „A Life in Secrets“ über Vera Atkins und die vermissten Agentinnen der SOE, wobei sie sie den Schwerpunkt auf die sogenannten „britischen“ Fallschirmspringerinnen legt, die aber oft auch reine Französinnen waren, wie Denise Bloch. Doch in „Ohne Haar und ohne Namen“ finden sich auch fundierte Hintergründe zu den „französischen“ Fallschirmspringerinnen.

Germaine Tillion „Frauenkonzentrationslager Ravensbrück“(Klampen): Hier finden sich Details und Hintergründe zur Haft in Ravensbrück und den Hinrichtungen. Wenn Tillion von neun hingerichteten Fallschirmspringerinnen spricht, ist das aufgrund der Quellenlage absolut ernstzunehmen.

Michael Foot ist unbedingt als Autor zu empfehlen; er hat nicht nur die Standardwerke zur Geschichte der SOE verfasst, von ihm gibt es auch eine Einzelarbeit zur SOE in den Niederlanden (SOE in the Low Countries. St Ermin's Press, London 2001) SOE. An Outline History of the Special Operations Executive, 1940–1946. British Broadcasting Corporation, London 1984 wäre eine der zahlreichen Schriften, die absolut fundiert in die SOE einführen.

Mireille Hui „Les Merlinettes : Période de 1942 à 1945“ ist eine Dokumentation der Einheit nordafrikanischer Frauen im Einsatz für Frankreich.

https://de.scribd.com/document/378587876/La-feminisation-de-l-armee-francaise-pendant-les-guerres-1938-1962-enjeux-et-realites-d-un-processus-irreversible http://fortificationetmemoire.fr/wp-content/uploads/2016/01/2013-09-Les-Merlinettes-AS.pdf https://www.nicematin.com/faits-societe/la-legion-d-honneur-pour-une-centenaire-heroine-de-guerre-364317

Violette Reine Elizabeth Szabo, geborene Bushell

image
Violette Reine Elizabeth Szabo

Geb. 26. Juni 1921 bei Paris. Anfang der Dreißigerjahre zog die Familie nach London. Violette Szabo war früh sportlich und burschikos und begann schon mit 14 zu arbeiten. 1940 heiratete sie Étienne Szabo, einen französischen Offizier ungarischer Abstammung. Sie hatten gemeinsam eine Tochter, Tanja. Szabo fiel allerdings schon vor ihrer Geburt. Im Sommer 1943 meldete Violette sich freiwillig zur SOE, wo sie wegen ihrer Französischkenntnisse sofort angenommen wurde.

Ihr Einsatz mit dem Fallschirm war eine sehr gefährliche Aufgabe in diesem Kriege; sie wurde dabei nur von Philippe Liewer begleitet, der Leiter des britischen Agentenrings „Salesman“ war.

image

„Salesman“ operierte in der Gegend um Rouen und Le Havre, doch viele Verhaftungen durch die Gestapo erschütterten den Kreis. Szabos Hauptaufgabe bestand darin, mit den restlichen „Salesman“-Mitgliedern Kontakt aufzunehmen. Jede Begegnung konnte dabei Verhaftung, Folter und Tod bedeuten. Als sie erkannte, dass der Ring „Salesman“ so gut wie zerschlagen war, kehrte sie am 30. April nach London zurück.

Auf den 8. Juni 1944 gingen beide schon in den nächsten Einsatz in der Nähe von Limoges, um einen neuen Agentenring im Département Haute-Vienne aufzubauen. In einem Auto geriet sie mit anderen Mitgliedern des Maquis bei Salon-la-Tour in eine Straßensperre der SS-Panzerdivision „Das Reich“. Tapfer setzte sich Szabo mit der Waffe zur Wehr, wurde aber dann mit leerem Magazin überwältigt. In Paris in Haft und in der Avenue Foch verhört, wurde sie mit den SOE F- Agentinnen Lilian Rolfe und Denise Bloch im August 44 zuerst nach Ravensbrück und dann in Außenlager in Thorgau und Königsberg verlegt. Nach dem 18. Januar 1945 wurden die drei Frauen in Ravensbrück erschossen.

Cecily Lefort, die auf der Tafel ebenfalls genannt wird, starb später, ihr Weg führte vom Hauptlager in die Todeszone des Uckermark-Lagers und von dort in die Gaskammer von Ravensbrück.

image

Selbst in der Haft und unter härtesten Bedingungen war Violette Szabo bis zuletzt ungebrochen und voll Lebenskraft. Das Denkmal der umgekommenen Kämpferinnen und Kämpfer der SOE Section F in Valencay trägt auch gerade deshalb ihr Bild und würdigt damit ihren überragenden Mut und ihre Kraft.

Eileen Nearne

image
Eileen Nearne


Geb. 15.3.1921 in London, durch ihre spanische Mutter fließend dreisprachig. Die Familie lebte schon ab 1923 in Frankreich. Auch ihre Schwester Jaqueline und ihr Bruder waren für die Section F erfolgreich tätig. Mit ihrer Schwester floh sie 1940 nach England, wo sie aufgrund ihrer Fähigkeiten schon dort im Funkbereich und im Umgang mit Geheimschriften ausgebildet und eingesetzt wurde.

Anfang März 1944 flog sie in einer „Lysander“, einem einmotorigen Flugzeug, das zum Absetzen von Agenten verwendet wurde, in ihren Einsatz. Unter dem Decknamen „Rose“ sollte sie als Funkerin arbeiten und im Raum südlich von Paris Ressourcen für die Resistance erschließen. Ihr Kreis sollte unter anderem Häuser und Personen auffinden, die um den D-Day und später für Fallschirmspringer bereitstehen. Sie sendete 105 Nachrichten in etwa 5 Monaten, was bei der Stärke der deutschen Abwehr extrem riskant war, da jeder Funkverkehr eingepeilt werden konnte. Ihr Kreis war an der Aufdeckung und Vernichtung von V2-Raketen beteiligt, und oft arbeitete sie auf sich gestellt. Es waren gefährlichste Zeiten; die Gestapo suchte intensiv nach Menschen im Widerstand und eine Verhaftung bedeutete Folter und in der Regel den Tod.

image

Am 21. Juli 1944 wurde sie aufgespürt, verhaftet und bei der Gestapo in Paris verhört. Trotz Wasserfolter blieb sie bei einer im Moment der Verhaftung erfundenen Deckgeschichte und wurde nicht direkt mit der SOE in Verbindung gebracht, obwohl die Deutschen sie bei dem Funkgerät festgenommen hatten! Dies rettete wohl ihr Leben. Am 15. August kam sie nach Ravensbrück und am 4. September 44 nach Torgau, einem Außenlager von Ravensbrück. Sie wurde dann in ein weiteres Außenlager bei Leipzig verlegt. Dort gelingt ihr am 13. April 45 die Flucht mit ein paar weiteren jungen Frauen. Sie kann sogar noch einmal einer Verhaftung entkommen und sich danach in Leipzig verstecken, wo am 18. April treffen amerikanische Truppen eintreffen. Diese glauben am Anfang dieser jungen Frau noch nicht einmal, denn ihre Geschichte war einfach unglaublich. Doch Vera Atkins bestätigte ihre Angaben.

Nach dem Krieg lebte sie still und zurückgezogen gemeinsam mit ihrer Schwester Jaqueline; sie litt ihr Leben an den Folgen ihrer Erlebnisse.

Odette Marie Céline Sansom geb. Brailly

image
Odette Marie Céline Sansom geb. Brailly


Geb. 28. 4. 1912 in Amiens, zweisprachig

Sie heiratet 1932 Roy Sansom, 1934 zieht die Familie nach London. Sie hat mit Roy Sansom 3 Töchter.

Nach ihrer Ausbildung bei der SOE wurde sie am 31. Oktober 1942 mit zwei anderen Agentinnen bei Cassis in Südfrankreich mit einer Feluke abgesetzt. Unter dem Namen Yvonne Bernier arbeitete sie in dem Agentenring Spindle als Funkerin und Kurierin. Oft wird sie als Fallschirmspringerin bezeichnet, aber das trifft nicht zu. Sie arbeitet ein Jahr lang mit ihrem Leiter Peter Churchill erfolgreich, doch seit dem November 1943 wurde ihre Arbeit von Hugo Bleicher, einem sehr trickreichen Mitarbeiter der deutschen Abwehr und über einen von ihm eingeführten Kollaborateur überwacht. Auch Hans Kieffer, Kommandant der Gestapo in Paris hatte unabhängig eine Verbindung zu dem Kreis. Am 16. 4. 1943 wurde Odette mit ihrem Partner Peter Churchill in St. Jorioz festgenommen. Sie wurde erst bei der Gestapo in Paris verhört, dann kam sie in das Gefängnis in Fresnes.

Am 12. Mai 44 übersendete man sie von dort mit 7 Agentinnen der SOE F in ein Gefängnis nach Karlsruhe. 4 dieser Frauen wurden am 6. Juli 1944 in Natzweiler durch Gift hingerichtet und 4 am 13. September in Dachau erschossen. Die letzte Frau wurde zwar erst einen Tag vor der Hinrichtung von Pforzheim nach Karlsruhe verlegt, doch Odette Sansom trug durch ihre Kenntnisse über die Vorgänge wesentlich dazu bei, das Schicksal dieser Frauen aufdecken. Am 18.7. 1944 wurde sie nach Ravensbrück überstellt. Dort war sie sehr lange in Einzelhaft untergebracht. Sie hatte bei der Verhaftung angegeben, dass sie die Frau von Peter Churchill wäre – und dieser mit Churchill verwandt sei. Auch später hielt sie diese Behauptung erfolgreich aufrecht, so dass sie wohl deshalb überlebte, weil man sie für wichtig hielt. Bei der Auflösung des Lagers nahm Kommandant Suhren sie möglicherweise auch deshalb als eine Geisel in seinem Fahrzeug mit auf die Flucht. Am 2. 5. 1945 trafen sie bei Rostoff auf amerikanische Truppen und dort lieferte sie den Kommandanten Suhren in deren Hände aus.

Nach dem Krieg wurde sie eine der wenigen Frauen der SOE, die berühmt wurde; ihre Geschichte wurde 1950 verfilmt, doch innerhalb der Leitung der SOE wurde sie auch kritisch betrachtet.

Eugenie Djendi aka Jenny Silvani oder Jimmy

image
Eugenie Djendi


Geb. 1918 in Bone, Algerien, als Tochter von Antoinette Silvani und Chefral Djendi Fallah, zog 1943 nach Algier und nahm dort an der Ausbildung des „Corps Feminin des Transmissions“ teil. Diese Frauen nannte man nach ihrem Leiter die „Merlinettes“. Seit dieser Ausbildung waren die in Ravensbrück hingerichteten Frauen der Section RF fast immer zusammen. Sie meldete sich mit 4 Kolleginnen nach dem Abschluss ihrer Ausbildung als Funkerinnen für das Deuxième Bureau in Algier zum Einsatz. Die Frauen, die sich dort für diese gefährliche Aufgabe einschrieben, wurden zur Ausbildung für die Section RF nach Großbritannien geschickt Eugenie Djendi wurde bei der Mission „Berlin“ in Paris eingesetzt und sollte eine Verbindung nach London und Algier aufbauen. *

Am 9. April sprang sie im Team mit 2 Agenten bei Sully an der Loire ab. Doch schon am Tag nach der Ankunft wurden die drei verhaftet und in Paris in der Avenue Foch durch die Gestapo verhört. Im Gefängnis war Eugenie sehr unerschrocken und half gemeinsam mit Pierrette Louin einem Kammeraden bei der Flucht Auch die drei anderen Frauen, die mit ihr in der Ausbildung waren und zeitnah in den Einsatz gingen, wurden schnell gefasst. Am 15. August 1944 wurde Eugenie mit einen Transport in das Gestapo-Lager „Neue Bremm“ bei Saarbrücken verbracht. Spätestens dort traf sie auch mit allen ihren Kameradinnen der RF und Frauen der Section F und zusammen und sie wurden aneinandergekettet transportiert. Der Weg führte alle diese Frauen in das Konzentrationslager Ravensbrück, wo von diesem Kontingent nur die sogenannten 4 „Merlinettes“ und die Britin Yvonne Baseden etwa ein halbes Jahr dort inhaftiert waren. Die anderen wurden in das Außenlager Thorgau verbracht.

Eugenie hatte eine enge Freundschaft mit Yvonne Baseden, doch selbst sie kannte Eugenie nur unter dem Decknamen Jenny Silvani. In Ravensbrück waren „die Fallschirmspringerinnen“ bekannt und geschätzt. Eugenie und vor allem ihre Kameradin Suzanne Mertzisen blieben bei Vielen im Gedächtnis. Die vier jungen Französinnen sahen in Ravensbrück die Bedingungen der Gefangenen und forderten als ausgebildete Soldatinnen eine Behandlung als Kriegsgefangene. Die Frauen hatten an der Klärung ihres Status auch ein konkretes, materielles Interesse, denn als Kriegsgefangene hatten sie das Recht, Rotkreuzpakete zu empfangen.

Zwei Monate vor ihrem (späteren) Verschwinden waren die Frauen in die Schreibstube zur Identitätsbefragung gerufen worden. Das war zwar auch bei Exekutionen der Fall, doch die vier waren der Meinung, dass dies eine positive Antwort auf ihren Antrag auf Verlegung in ein britisches Militärgefangenenlager war, zumal die Deutsche, die sie empfangen hatte, sehr freundlich war und sich um Eugenie Djendis Gesundheit sorgte.“

Suzanne Mertzisen und Eugenie Djendi wurden zwei Tage später noch einmal in das Büro zu Suhren gerufen. „Jenny“ erzählte Yvonne Baseden dass die Männer offenbar aus Berlin in einem blauen Telegramm Anweisungen für sie erhalten hätten, dies sei dort auf dem Tisch gelegen. Die SS-Männer sagten, dass man ihre Forderungen geprüft hätte und dass sie sich bereithalten sollten. Am 18. Januar 1945 wurden die 4 Frauen gegen 16 Uhr in die Lagerverwaltung gerufen.

Germaine Tillion berichtet, dass die jungen Frauen ihre Kleidung und Schuhe im Block schon bis auf ein Kleid zurücklassen mussten. Dies könnte ein wichtiges Indiz sein. Begleitet wurden sie von der deutschen Aufseherin Ruth Neudecker, die sich stets freiwillig für Hinrichtungen zur Verfügung stellte. Yvonne Baseden sah, wie die vier Frauen** in den gestreiften Lagerkleidern von einem bewaffneten SS-Mann bewacht**, zu einem Lastwagen gebracht wurden. Gleichzeitig wurde, so Germaine Tillion, die Straße vor dem Krematorium, die zu Siemens führte, von der SS blockiert. Es gibt Beobachtungen zu einem Galgen beim Krematorium und Vermutungen, dass die vier Frauen dort erhängt wurden. Eine am Krematorium arbeitende Kolonne hatte jedenfalls kurz vor der Hinrichtung dort einen Galgen gesehen.

Die Frage, ob die die vier jungen Frauen um 18.30 Uhr in der Nähe des Krematoriums erschossen oder dort an einem Galgen erhängt wurden ist zwar offen, denn es gibt eine Reihe von Aussagen bezüglich ihrer dann in der Effektenkammer aufgetauchten Kleider, die außer dem beobachteten Galgen für eine Erhängung sprechen könnten,. Doch eine genaue Betrachtung der Aussagen zeigt, dass den vier Frauen die Kleidung, die sie sonst trugen, schon zuvor abgenommen worden war – und sie nur noch die einfachen Lagerkleider und leichte Schuhe trugen – und somit diese Aussagen eine Erschießung nicht ausschließen.

Renée Lascroux schreibt: Am nächsten Tag machen wir eine heimliche Suche. Auf einem Register erscheint neben den vier Zahlen die vage und klassische Erwähnung: "Transport ohne Ziel". Es ist seltsam. Zwischen den Zähnen flüsterte eine Frau: "So registrieren wir diejenigen, die erschossen wurden"

Suzanne („Suzy“) Mertzisen, geb. Boitte

image
Suzanne („Suzy“) Mertzisen, geb. Boitte


Geb. 15. Mai 1919 in Colombes, Haut de Seine als Tochter von Louise Amelia Lemesle und Alphonse Boitte 1938 heiratet sie den aus Algerien stammenden französischen Militärpiloten Gabriel Mertzisen. Nach der Geburt der Tochter Danielle 1940 ziehen sie nach Algier. Am 18. Januar 1943 meldet sie sich zur Ausbildung als Funkerinnen zum „Corps Feminin des Transmissions.“ Sie meldete sich mit 4 Kolleginnen nach dem Abschluss für das Deuxième Bureau in Algier für einen Einsatz für die Section RF. Die Frauen, die sich im dort für diese gefährliche Aufgabe einschrieben, wurden zur Ausbildung nach Großbritannien geschickt. Sie hatten seit der Ausbildung als Merlinettes immer enge Verbindung.

In der Nacht auf den 6. April 1944 flog sie mit ihren Kameradinnen Pierrette Louin, Marie-Louise Cloarec und zwei Männern zu ihrem Absprung bei Jouac. Sie blieben dort kurz und machten sich dann auf den Weg nach Paris wo sie am 10. April 1944 eintrafen. Schon am 27. April 1944 wurden sie durch Denunziation gefasst. Beim Verhör in der Avenue Foch sagten sie nichts über ihren Auftrag oder ihre Organisation, und es gab keine Verhaftungen auf Grund ihrer Aussagen. Pierrette Louin, Marie-Louise Cloarec und Suzanne Mertzisen waren in Fresnes in Haft und mit auf dem Transport, der am 8. August 1944 Compiègne verließ. Auf diesem Transport begegneten sie nicht nur wieder Eugènie Djendi, sondern trafen spätestens dort auch mit Frauen von der SOE F zusammen und wurden aneinandergekettet transportiert.

Es ist nicht klar, ob sich all diese Frauen zuvor kannten - und schon während der Haft und den Verhören in Paris einander begegneten. Der Weg führte alle diese Frauen in das Konzentrationslager Ravensbrück, wo von diesem Kontingent nur die sogenannten „Merlinettes“ und Yvonne Baseden etwa ein halbes Jahr dort gemeinsam inhaftiert waren. Die anderen wurden in das Außenlager Thorgau verbracht. Die in Ravensbrück inhaftierte Anise Postel-Vinay hatte Suzanne „Suzy“ Mertzisen, die zur besten Freundin ihrer Kameradin Miléna Seborova geworden war, in ihrer kleinen Kolonne von Arbeitern dem Hilfskommando II, angestellt.

image


Die 4 Fallschirmspringerinnen forderten als ausgebildete Soldatinnen eine Behandlung als Kriegsgefangene. Die Frauen hatten an der Klärung ihres Status auch ein konkretes, materielles Interesse, denn als Kriegsgefangene hatten sie das Recht, Rotkreuzpakete zu empfangen. Der Umgang der Deutschen mit Ihnen und deren Rückmeldungen stimmten die Frauen positiv. Doch in Wahrheit entsprach das Verhalten der Lagerleitung den Vorgaben Himmlers und findet sich identisch in den Hinrichtungen der vier Frauen in Dachau, der vier in Natzweiler und eben all den hingerichteten SOE- Frauen, dass die zum Tod verurteilten FRAUEN keine Informationen zu erhalten sollten, so die Order vom 22. Januar 1943 von Himmler an die Kommandanten der KZs. Und so wurden diese Frauen am 18. Januar 1945 in Ravensbrück hingerichtet, und die drei Frauen der Section F in Folge, wohl wenige Tage später.

Auch hier ergibt sich eine Analogie zu der Hinrichtung der Frauen in Dachau und Natzweiler. Auf deren Präsenz in Karlsruhe wurde Berlin erst durch eine überpflichtbewusste Aufseherin aufmerksam, und sie wurden nach der Zustellung des Urteils in den 2 Gruppen hingerichtet. Im Fall der Hinrichtungen der SOE-Frauen ist das wohl auch so. Denn sie waren nicht nur auf demselben Transport – und dort sogar zusammengekettet – und ihr Hintergrund war klar, während das bei den anderen Frauen durchaus nicht immer war. Eileen Nearne wurde nicht aufgedeckt, von Yvonne Rudellat war nicht einmal ihre wahre Identität klar, und Odette Sansom hatte einen Sonderstatus. Für ihre Hinrichtung wurden Lilian Rolfe, Denise Bloch und Violette Szabo extra vom Außenlager in Königsberg geholt.

Die französischen „Merlinettes“ aus Algier In Algier ergriff 1942 General Merlin in Algerien auf der Basis der bestehenden Gesetze die Initiative, um Frauen in die Armee einzugliedern, um mehr Männer für den aktiven Dienst an der Waffe zu bekommen. Er suchte Frauen, die auf den Positionen als Telefonistinnen, Telegrafinnen und Funkerinnen eingesetzt werden sollten. Doch sogar in Angesicht des konkreten Mangels an Männern und der Rechtslage musste er „erst eine Schlacht innerhalb der Armee und des Generalstabs schlagen, um sein Projekt zu verwirklichen“. Nach der Zustimmung des Generalstabs der Armee (General Giraud) vom 22. November 1942 wird mit einem Rundschreiben vom 18. Dezember 1942 das Corps Féminin des Transmissions, (CFT) aufgebaut..

image
Foto : collection Musée des Transmissions


Innerhalb kurzer Zeit wird für diese neu gegründete Einheit in den nordafrikanisch-französischen Gebieten geworben und entsprechend melden sich dort lebende Frauen jeder Herkunft und jeder Religion. Sie dienten selbstverständlich für Frankreich, doch eine Anerkennung für diesen Dienst blieb auch in Frankreich oft aus und erfolgte, wenn denn, spät, und auf die Initiative Einzelner hin, wie das Beispiel der Jeanne Mereau zeigt, die erst in hohem Alter geehrt wurde (*Link im Anhang).

Die Ausbildung erfolgte an verschiedenen Orten wie Staouéli (Algerien). Offiziere und Unteroffiziere werden zuerst in Douera ausgebildet, später in der Festung Hydra, Algier. Die Schulungen dauerten drei Wochen.

image

Die direkt in der Armee tätigen Französinnen galten als Militär, während die sogenannten „Merlinettes“ zu Beginn nur den Status von Zivilistinnen in Uniform hatten. Sie erhielten anfangs noch nicht einmal Sold, sondern ein Gehalt, von dem sogar die Kosten für Unterkunft und Verpflegung abgezogen wurden. Nach und nach erreichte General Merlin kostenlose medizinische Versorgung, sowie freie Kost und Logis, bis zu dem Punkt, dass die Freiwilligen der französischen Expeditionstruppe (CEF) in Italien wie andere Soldaten behandelt wurden.

Merlinettes waren bei den kämpfenden Truppen De Gaules an allen Fronten eingesetzt- von Monte Cassino bis Straßburg, und nahmen an den entsprechenden Landeunternehmen in Italien und Südfrankreich teil. Einige wurden hoch ausgezeichnet.

Sondereinsätze der „Merlinettes“ für die „Special Operations Executive“ Section RF Anfang 1944 wurden London und Algier zu den Vorbereitungszentren für die alliierten Landungen in der Normandie und im Mittelmeer. Ein Teil der Geheimdienstkommandos des Deuxième Bureaus in Algier schloss sich denen des Präsidiums im Londoner Zentralbüro für Information und Aktion (BCRA) an. Jedes geplante Einsatzkommando bestand in der Regel aus drei Mitgliedern, von denen eines ein Funker war. Zu Beginn der Mission wurden die Unteroffiziere als vorübergehende Leutnants ernannt. Das Deuxième Bureau in Algier kontaktierte General Merlin, um von ihm die dringend benötigten Funkerinnen zu rekrutieren.

Wie bei den „Merlinettes“ war auch bei allen Agentinnen der SOE der Status unklar: Sie galten nach dem Kriegsrecht nicht als Soldatinnen, auch wenn sie in ihrer Ausbildung und ihren Aktionen zum Teil sehr beeindruckende militärische Leistungen zeigten. Aber auch nach dem Krieg dauerte es lange, bis die Frauen die für Männer selbstverständlichen Abzeichen und Ehrungen erhielten, von einer öffentlichen Honorierung ganz zu schweigen.

Nur für die Gruppe der Frauen der** SOE F**, für die Vera Atkins zuständig war, und nur aufgrund ihrer Initiative, war eine relative Öffentlichkeit gegeben. Die wiederum war sehr spezifisch und viele Frauen, deren Leistungen spektakulär waren, wurden durch einzelne, die sehr populär auftraten, in den Hintergrund gedrängt.

image
Foto: Musee des Transmissions. Es sind sehr seltene Aufnahmen, von Eugenie Djendi gibt es nur diese eine.


Mindestens dreißig der Funkerinnen aus Nordafrika absolvierten die Schulung in England und derzeit namentlich bekannt sind 12 Frauen, die am Ende in den Einsatz gingen: Frédérique Bigrel (auch Biguel, Bereich Doubs), Denise Colin (auch Collin), Suzanne Combelas später Pax, Colette Martini, Jeanne Mereau, Geneviève Torlet, Elisabeth Torlet, Evelyne Valve Marie-Louise Cloarec, Eugénie Djendi, Pierrette Louin, Suzanne Mertzisen.

Denise Colin wurde bei Lyon verwundet, von der Gestapo verhört, nach Ravensbrück deportiert und in einem Außenlager von der russischen Armee befreit Evelyne Valve wurde bei ihrem Einsatz in Vendome gefasst und hingerichtet Elisabeth Torlet wurde in ihrem Einsatz in Blussans gefasst und erschossen

**Übersetzung des französischen Textes der Tafel:

Zur Erinnerung an Marie-Louise Cloarec, 28 Jahre Eugenie Djendi, 22 Jahre, Pierette Louin, 25 Jahre, Suzanne Mertzisen 26 Jahre. „Merlinettes“ Funkerinnen der nordafrikanischen Fernmeldeeinheit für Frauen (Corps Féminin des Transmissions), im Einsatz als Fallschirmspringerinnen für das Militärische Sonderkommando von Algier im April 1944 Hingerichtet in Ravensbrück am 18. Januar 1945 FFC SSM/TR Französische Streitkräfte, Militärgeheimdienst (Landwirtschaftsministerium)**

Die Frauen der „Special Operations Executive“ im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück A. Überlebende der SOE Section RF und Section F Derzeit bekannte Personen und Zuordnungen Die Frauen der „Special Operations Executive“ im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück A. Überlebende der SOE Section RF und Section F

  1. Denise Collin/ Colin RF/Merlinette
  2. Yvonne Baseden F
  3. Eileen Nearne F
  4. Odette Sansom F
  5. Ragna Hamilton /Fischer (F)/Dän. „Weiße Busse“ (Arbeitete in der PAT-Line)

B. In Haft und in andere Lager verbracht: C. In Haft durch Gas getötet: D Hingerichtet:

  1. Yvonne Rudellat (Jaqueline Gauthier) F, verstorben unmittelbar nach Kriegsende in Bergen Belsen

B. In Haft und in andere Lager verbracht: C. In Haft durch Gas getötet: D Hingerichtet:

  1. Madelaine Tambour, F, Ring Prosper, zuletzt im Uckermark-Lager, registriert unter Nummer 27552
  2. Germaine Tambour, F, Ring Prosper, zuletzt im Uckermark-Lager, registriert unter Nummer 27551
  3. Cicely Lefort, F, zuletzt im Uckermark-Lager. Bei allen dreien ist das Todesdatum unbekannt, Frühjahr 1945

B. In Haft und in andere Lager verbracht: C. In Haft durch Gas getötet: D Hingerichtet:

  1. Marie-Louise Josephine Cloarec, RF / Merlinette, 18. January1945
  2. Eugenie Djendi aka Jenny Silvani, Jimmy, Jaqueline Dubreuil, RF / Merlinette, 18. Januar1945
  3. Suzanne (geborene Boitte) Mertzizen(Mertzisen) aka Suzy Boitte, RF / Merlinette, 18. Januar1945
  4. Pierette Denise Louin aka Pierette Salinas, RF / Merlinette, 18. Januar 1945

  5. Denise Bloch. F, hingerichtet ohne festes Datum, Eintrag 5. Februar

  6. Lilian Rolfe, F, hingerichtet ohne festes Datum, Eintrag 5. Februar

  7. Violette Szabo, F, hingerichtet ohne festes Datum, Eintrag 5. Februar