Rosel Vadehra – Jonas geb. Jonas

geb. 1940 in Dörnigheim am Main, Diplom-Volkswirtin, Dozentin in der Erwachsenenbildung

Tocher von Katharina (Käthe) Jonas (12.7.1902 - 25.1.1977), Ravensbrück: 31.08.1944 - 28.04.1945

Mitglied im IRK seit 1998

Katharina (Käthe) Jonas geb. Seng

Rosel Vadehra – Jonas, Foto: Ambra Laurenzi
Rosel Vadehra – Jonas, Foto: Ambra Laurenzi

Ende 1940 wurde ich in Dörnigheim am Main (Deutschland) als zweites Kind einer Arbeiterfamilie geboren.

Hitler und die NSDAP waren damals in Deutschland schon seit mehr als 7 Jahren an der Macht und es herrschte seit über einem Jahr Krieg. Meine Eltern, Käthe und Peter Jonas, gehörten der kommunistischen Partei an. Sie waren Gegner des nationalsozialistischen Terrorregimes und deshalb – ebenso wie weitere Verwandte mütterlicherseits - bereits vor meiner Geburt aus politischen Gründen inhaftiert. (Siehe dazu auch die Biografie meiner Mutter Käthe Jonas.) Mein Vater litt an der Bechterewschen Krankheit, einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung der Wirbelsäule und konnte deshalb seinen Beruf als Weißbinder (Maler) nicht mehr ausüben. Er war bei meiner Geburt schon seit Jahren Frühinvalide. Ich bin ein ‚Nachkömmling‘ in der Familie. Mein Bruder Friedel war fast 19 Jahre älter als ich.

Ich war drei Jahre alt, als meine Mutter erneut verhaftet wurde. Sie verließ mit zwei Männern die Wohnung und musste mich weinend auf dem Arm der jungen Frau meines Bruders zurücklassen. Man brachte sie in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Meine Mutter überlebte die ‚Hölle von Ravensbrück‘, litt aber bis an ihr Lebensende unter den physischen und psychischen Folgen der KZ-Haft.

Ich besuchte die Mittelschule in Hanau, dann die einjährige Höhere Handelsschule und im Anschluss daran eine Sprachschule in Frankfurt am Main, die ich mit den Prüfungen für Wirtschaftsdolmetscher in Englisch und in Französisch abschloss. Es folgte eine zweijährige Berufstätigkeit als Sekretärin und Übersetzerin – davon ein Jahr in Frankreich. Anschließend besuchte ich das Hessenkolleg in Frankfurt, wo ich nach zweieinhalb Jahren die allgemeine Hochschulreife erlangte. Danach begann noch mit dem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt, das ich mit dem Diplom-Examen abschloss.

Meine Eltern bemühten sich, mir eine gute Ausbildung zu ermöglichen, auf die sie selbst zu ihrer Zeit aufgrund der finanziellen Situation ihrer Eltern verzichten mussten. Sie unterstützten mich im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Für den Besuch des Hessenkollegs und für das Studium erhielt ich Stipendien aus öffentlichen Mitteln. Nach dem Studium arbeitete ich als Lehrkraft in der Erwachsenenbildung.

Durch die Arbeit meiner Mutter in der Betreuungsstelle für NS-Verfolgte in Hanau und ihre ehrenamtliche Tätigkeit im Gemeindeparlament in Dörnigheim bekam ich schon als Kind Einblicke in die sozialen Verhältnisse der Nachkriegszeit und ich erfuhr die ganz persönliche Geschichte von vielen Verfolgten des Naziregimes. Anstatt offizielle Sprechstunden aufzusuchen, kamen viele Menschen aus Dörnigheim und angrenzenden Gemeinden mit ihren Anliegen direkt zu uns nach Hause. Die Gespräche mit meiner Mutter fanden in Gegenwart der Familie in der Küche statt. Durch diese Erfahrungen wurde mir früh die Diskrepanz bewusst zwischen dem was ich im Elternhaus hörte und der Mehrheitsmeinung außerhalb der Familie und nicht zuletzt auch in der Schule. Während ich die Mittelschule besuchte, habe ich nie darüber gesprochen, dass meine Angehörigen unter dem Naziregime verfolgt wurden und sogar inhaftiert waren. Es gab dazu auch keine Gelegenheit. Im Unterricht wurde die Zeit des Nationalsozialismus ohnehin nicht behandelt. Durch meine Mutter hatte ich früh Kontakt zur Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). Sie nahm mich als Kind mit zu den verschiedensten Veranstaltungen. Sitzungen der Kreisorganisation Hanau fanden häufig bei uns in der Wohnung statt. Als Jugendliche konnte ich mich dann durch meine Sprachkenntnisse nützlich machen. Es war für mich selbstverständlich, dass ich1964, als sie ihre Reihen auch für Angehörige der Verfolgten öffnete, Mitglied der VVN wurde, Die Gründung der Lagergemeinschaft Ravensbrück in Westdeutschland erlebte ich aus nächster Nähe mit.

Meine Mutter war inzwischen in Rente. Sie führte einen regen Briefwechsel mit ehemaligen Ravensbrück-Häftlingen und trug gemeinsam mit ihnen die Anschriften von weiteren Überlebenden des Lagers zusammen. Erst nach ihrem Tod erfuhr ich, dass während dieser Tätigkeit in den 1960-er Jahren ein Verfahren wegen ‚staatsabträglicher Verbindungsaufnahme‘ gegen sie eröffnet wurde, das aber zwischenzeitlich wieder eingestellt war.

Nachdem ich selbst aus dem Beruf ausgeschieden war, beteiligte ich mich aktiv an der Arbeit der VVN, die sich inzwischen VVN/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA) nannte, und ich nahm an mehreren Treffen der Lagergemeinschaft Ravensbrück teil. Von 1990 bis 1994 war ich Bundessprecherin der VVN/BdA. Ich bin Gründungsmitglied der Lagergemeinschaft Ravensbrück /Freundeskreis e. V. und war von 1997 bis 2007 Vorsitzende dieser Lagergemeinschaft. Dem Internationalen Ravensbrück-Komitees (IRK) gehöre ich seit 1998 an.

Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder und zwei Enkelkinder.

19,04,20/V.-J,