Anna Peczenik geb. Gadol

09.02.1911 Sofia – Dezember 1944, ermordet in Buchenwald (?)

Montessori-Kindergärtnerin, Interbrigadistin 1937 - 1939 Politischer Widerstand in Frankreich und Österreich 1939 - 1944

Ravensbrück: Ende August/Anfang September 1944(?), Transport nach Magdeburg, Nebenlager des KZ Buchenwald vermutlich im November 1944

Anna Peczenik mit ihrer Tochter Hanja, Belgrad, 1936, Foto: Privatbesitz
Anna Peczenik mit ihrer Tochter Hanja, Belgrad, 1936, Foto: Privatbesitz

Anna Peczenik wurde am 9. Februar 1911 in Sofia in eine jüdisch-sephardische Familie geboren. Während des Ersten Weltkriegs übersiedelte sie mit ihren Eltern nach Wien. Anna besuchte in Wien die Volksschule und sechs Klassen Realgymnasium. Danach machte sie eine Ausbildung zur Montessori-Kindergärtnerin. Ihre Mutter, eine sehr fortschrittlich und humanistisch eingestellte Frau, bestand auf einer Berufsausbildung für ihre Tochter. 1928 ging sie nach Belgrad, wo ihr Vater in einer Trikotagefabrik in leitender Position arbeitete. Sie selbst war in einem Büro als deutschsprachige Korrespondentin beschäftigt. Mitte 1930 kehrte sie nach Wien zurück und arbeitete als Kindergärtnerin und Stenotypistin.

Anna war von frühester Jugend an politisch aktiv. 1926 trat sie als 15-Jährige dem Verband Sozialistischer Mittelschüler bei, war Vorsitzende einer Bezirksorganisation der Sozialistischen Arbeiterjugend und von 1929 bis 1931 Mitglied der SDAP.

Gegen den Wunsch ihres Vaters, der bereits einen anderen Ehemann für sie auserkoren hatte, heiratete sie am 11. Oktober 1931 Hermann (Abraham Hersch) Peczenik (geb. 27.1.1901 in Chomiakowka bei Tarnopol), der als Journalist und Verlagsleiter arbeitete. Ende 1931 traten beide in die KPÖ ein. Ihre Wohnung war ein beliebter Treffpunkt engagierter Linker nicht nur aus Wien, sondern auch aus dem osteuropäischen Raum. Anna war in ihrer KPÖ-Grundorganisation für Agitation und Propaganda zuständig, hielt Verbindung zu anderen Bezirken und nahm als Delegierte an der Wiener Regionalkonferenz der Partei teil.

Am 18. November 1933 wurde Tochter Hanja geboren. Nur wenige Tage zuvor, am 9. November, waren ihre Eltern aus der jüdischen Religionsgemeinschaft ausgetreten.

Am 21. April 1934 fand in der Wohnung Anna Peczeniks eine Hausdurchsuchung statt. Sie wurde festgenommen und erhielt sechs Wochen Arrest. Im Juli 1934 wurde Anna wegen Teilnahme an einer geheimen kommunistischen Versammlung neuerlich verhaftet und mit sechs Wochen Arrest bestraft. Ende November 1934 wurden Anna und Hermann erneut festgenommen und aus Österreich „abgeschafft“. Trotzdem setzten sie ihre illegale Tätigkeit für die KPÖ fort. 1936 musste Hermann Österreich endgültig verlassen und emigrierte nach Prag, wo sich zu dieser Zeit die Führung der KPÖ befand. Anna Peczenik arbeitete in der Zeit der tschechischen Emigration als Stenotypistin der Roten Hilfe.

Im Jänner 1937 verließen beide Prag, um sich in Spanien den Internationalen Brigaden anzuschließen. Anni verblieb drei Monate in Paris, wo sie im Parteibüro arbeitete und einen Kurs für Krankenschwestern machte. Mit dem Schiff gelangte sie nach Spanien und trat am 12. April 1937 in den Sanitätsdienst der Internationalen Brigaden ein. Sie wurde zuerst als Pflegerin in einem Spital in Murcia und ab Oktober 1937 in einem Frontspital der 35. Division als Pflegerin und Mitarbeiterin des Politkommissars eingesetzt.

Nach der Niederlage der Spanischen Republik flüchtete Anna Peczenik 1939 nach Frankreich. Sie gehörte der KPÖ-Gruppe in Toulouse an, organisierte Quartiere für GenossInnen, die den Internierungslagern entkommen konnten bzw. aus Paris in den von den Deutschen noch unbesetzten Süden Frankreichs flüchteten.

Hermann Peczenik wurde nach Internierung in mehreren französischen Lagern im August 1942 nach Auschwitz deportiert, wo er am 20. Oktober 1942 ermordet wurde.

1943 kehrte Anna Peczenik als französische Fremdarbeiterin getarnt nach Österreich zurück, um hier im antifaschistischen Widerstand aktiv zu werden. Sie arbeitete in einem Betrieb als Stenotypistin, half beim Aufbau einer neuen illegalen Wiener Parteileitung mit und war Mitglied der Bezirksleitung Wien-Floridsdorf. Als im Sommer 1943 eine Verhaftungswelle begann, befand sich Anna Peczenik gerade in Paris, um den Informationsfluss zwischen den Parteileitungen in Wien und Frankreich aufrecht zu erhalten.

Im Juli/August 1944 gelang es der Gestapo, sie in Paris zu verhaften. Sie wurde in das südlich von Paris gelegene Gefängnis Fresnes gebracht und von dort in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert.

Aus dem Lager Ravensbrück wurde Anni vermutlich im November 1944 mit einem Transport von insgesamt zehn Frauen nach Magdeburg zur Munitionsfabrik Polte überstellt, wo sich ein Nebenlager des KZ Buchenwald befand. Es war dies der Versuch, sie vor einem weiteren Zugriff der Gestapo und damit ihr Leben zu retten. Mehrere Leidensgefährtinnen aus dieser Zeit bezeugen die Willensstärke und politische Unbeirrbarkeit Annis.

Die genauen Todesumstände von Anna Peczenik sind nicht bekannt, es deutet aber alles darauf hin, dass sie im Dezember 1944 in Buchenwald ermordet wurde.

Was bleibt ist die Erinnerung an eine selbstbestimmte und mutige Frau, die ihr Leben im Kampf gegen den Faschismus und für die Befreiung Österreichs gegeben hat.

Irene Filip

Quelle: Von der Autorin gekürzte Fassung von: Irene Filip: Anna Peczenik. Biographische Skizze einer Spanienfreiwilligen und Widerstandskämpferin, in: 80 Jahre Internationale Brigaden. Neue Forschungen über österreichische Freiwillige im Spanischen Bürgerkrieg, hg. vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes und der Vereinigung österreichischer Freiwilliger in der Spanischen Republik 1936–1939 und der Freunde des demokratischen Spanien. Wien 2016, S. 43–63. Der ungekürzte Text ist auf der Website des DÖW abrufbar: https://www.doew.at/cms/download/c1g1o/webspanfilip.pdf