Lucienne Metzeler

18.05.1927 Chimay – 30.08.2017 Dinant

Schneiderin

politischer Häftling in Ravensbrück: 11. August 1944, Belzig (Außenlager des KZ Sachsenhausen): 1. Oktober 1944 bis zur Befreiung

Trägerin mehrerer Ehrenauszeichnungen

Lucienne Metzeler
Lucienne Metzeler

Lucienne Metzeler wurde am 18.05.1927 in Chimay geboren. Sie erlente den Beruf einer Schneiderin. Noch sehr jung nahm in ihrer Heimat aktiv am Widerstand gegen die deutschen Besatzer teil, in der gleichen Gruppe wie ihr Vater – der Gruppe „G du MNB“. Sie hat viele verschieden Aufträge ausgeführt: illegale Zeitungen ausgetragen, Kleidung, Verpflegung und falsche Ausweise besorgt. 1944 war sie an der Versorgung der Zentren des Widerstands in den Wäldern von Dréhance und in Herbuchenne beteiligt. Als Aushilfe in dem von SS-Offizieren frequentierten Café-Restaurant „Der goldene Fasan“ in Dinant sammelte sie nützliche Informationen für die Widerstandsbewegung.

Am 11. Juni 1944 –gerade 17 –jährig - wurde sie in Dinant verhaftet und von der Gestapo verhört und schwer gefoltert. Nach einigen Tagen wurde sie in das Gefängnis von Namur gebracht. Dort gingen die Verhöre weiter. Post oder gar Besuch gab es nicht, die Verpflegung war unzureichend. Es gab Schläge, Schreie, Verletzungen und wieder Schläge.

In den ersten Augusttagen 1944 wurde sie vom Gefängnis in Namur aus, über das KZ Buchenwald (10. August 1944) in das KZ Ravensbrück deportiert, wo sie am 11. August 1944 ankam. Drei Tage und drei Nächte lang, ohne Essen und Trinken, war sie mit vielen anderen Frauen eines Sondertransportes aus Antwerpen in stinkenden Viehwaggons eingepfercht. Nachts hielt der Zug in Fürstenberg. Von der SS bewacht, unter Schlägen und Gebrüll, wurden die Frauen ins Lager getrieben.

Ab 1. Oktober 1944 wurde sie in ein Außenlager des KZ Sachsenhausen geschickt; sie musste Zwangsarbeit in der Munitionsfabrik Roederhof in Belzig, südlich von Berlin, leisten. Die Munitionsfabrik befand sich in 6 km Entfernung vom Lager. Diese Strecke war 2x am Tag, vor der Schicht und nach der Schicht, zurück zu legen. Die Schicht in der Munitionsfabrik dauerte 12 Stunden. Hinzu kamen die Appelle, das stundenlange, bewegungslose Stehen und der ständige Hunger. Eines Tages im November sollte sie zusammen mit einer Kameradin eine große Maschine schieben. Die Maschine kippte und zerquetschte ihren Fuß, so dass ihre Kameradinnen sie auf einem Brett ins Lager zurück schleppen mussten. Lucienne verdankt ihr Leben einer russischen Kriegsgefangenen, die alsKrankenschwester im Revier eingesetzt war. Diese hatte ihr bedeutet, dass sie sterben würde, wenn die bereits absterbenden Zehen nicht entfernt würden. Aber es gab keine Betäubungsmittel, keine Desinfektion. Mit einer Art großen Zange, entfernte sie ihr die Zehen. Und Lucienne durfte nicht schreien, weil sie ansonsten von den bereitstehenden SS-Aufseherinnen verprügelt worden wäre. Der Verband bestand aus Toilettenpapier, etwas anderes gab es nicht. Die Wunde heilte nicht, Lucienne verließ das Revier aber bald wieder, um nicht für das Krematorium selektiert zu werden. Sie musste auch wieder in der Munitionsfabrik arbeiten, unter großen Schmerzen, bis Ende April 1945. Als dann die SS die Gefangenen auf den Todesmarsch trieb, blieb Lucienne mit einigen weiteren Kameradinnen in einer Baracke des Lagers zurück.

Der Weg nach Hause, in die Freiheit, war beschwerlich. Französische und belgische Arbeiter nahmen die wenigen Frauen ein Stück des Weges mit und sorgten für sie, so gut es ging. Schließlich trafen sie zunächst auf russische Soldaten und anschließend auf amerikanische. In Namur, bis wohin sie mit einem Güterzug kam, wartete niemand auf Lucienne. Zu Fuß schleppte sie sich bis nach Dinant.

Am 13. Mai 1945 kam sie zu Hause an. Sie hat sich nur sehr schwer und langwierig von diesem Jahr der Gefangenschaft erholt.

Ihr Vater, der wie sie in der Resistance gekämpft hatte und ebenfalls verhaftet worden war, wurde aus der Gefangenschaft des Aussenlagers BUCHENWALD-DORA befreit. Er ist 1972 verstorben. Bei seiner Rückkehr, löste er ein Versprechen ein, das er lange vor seiner Deportation gegeben hatte und errichtete ein ‚Potale‘, das sich noch heute in DINANT befindet. (https://bel-memorial.org/cities/namur/dinant/dinantfroidvaupotale_Metzeler.htm)

Lucienne Metzeler hat sehr viel Wert auf die Notwendigkeit gelegt, die Erinnerung an das Geschehen zu bewahren. Sie nannte es: PFLICHT ZUR ERINNERUNG. Sie bewahrte bis zu ihrem Tod ihre grau und blau gestreifte Häftlingskleidung. Die Flagge/Fahne der politischen Gefangenen übernimmt diese Farben. In der Mitte befindet sich das rote Dreieck, das die Nazis zur Kennzeichnung der politischen Gefangenen benutzt hatten. Diese Fahne wird bei den verschiedenen Gedenkfeiern immer getragen. Über viele Jahre sprach Lucienne als Zeitzeugin mit Jugendlichen und begleitete Gruppen nach Deutschland im Rahmen des Projektes: PFLICHT ZUR ERINNERUNG.

Lucienne Metzeler verstarb am 30.08.2017.

Das Andenken von Lucienne Metzeler und das aller anderen im KZ-Außenlager Belzig gequälten und ermordeten Häftlinge bewahrt der Verein Belziger Forum e. V., dem das Infocafé Der Winkel und der Förderkreis Roederhof angehören. Dem Gründer des Förderkreises, Gerhard Dorbritz, ist es zu verdanken, dass die Geschehnisse im KZ-Außenlager von Ravensbrück, dem Roederhof in Belzig, intensiv aufgearbeitet wurden und es eine Gedenkstätte auf dem Gelände des ehemaligen Außenlagers gibt. Seit 2016 blühen an den Gedenkstätten im Grünen Grund und auf dem Getraudenfriedhof die Rosen "Résurrection" (Auferstehung)

Quellen: Gerhard Dorbritz, „Schicksale“ Teil II, hier: Lucienne Metzeler, Häftlings-Nummer 10248. Ein Interview, S. 47-65, Berlin, Treibgut Verlag 2010 und Archiv MGR, Rav.-Nr. 51123; Sac.-Nr. 10248