Libusé Nachtmanová

geboren im November 1919 in Roudnice Pharmazeutin, Wissenschaftlerin

Ravensbrück: 28. November 1941 – 28. April 1945 (Todesmarsch)

Gemeinsam mit Häftlingsärztinnen und -krankenschwestern nutzte sie ihren Spielraum als Übersetzerin im Krankenrevier, um Häftlingen zu helfen.

Libusé Nachtmanová, 2004; Foto: W. Reiher
Libusé Nachtmanová, 2004; Foto: W. Reiher

Libusé Nachtmanová stammt aus einer patriotischen tschechischen Familie. Beide Eltern waren Lehrer. Ihr Geburtsort Roudnice gehörte bis 1918 zu Österreich-Ungarn. In der Familie wurde Tschechisch und Deutsch gesprochen. Nach dem Abitur 1938 begann sie ein Chemiestudium in Prag mit dem Ziel, Apothekerin zu werden.

Nachdem im Oktober 1938 mit dem Münchener Abkommen das Sudetenland an das Deutsche Reich abgetreten worden war, besetzten die Deutschen im März 1939 die gesamte Tschechoslowakei. Libusé durfte ihr Studium nicht fortsetzen. Allen Tschechen wurde der Hochschulzugang verwehrt; sie sollten ohne höhere Bildung bleiben. Auf dem Campus der Prager Karls-Universität erlebte Libusé die ersten Auseinandersetzungen zwischen deutschen und tschechischen Studenten.

Sie begann in Prag zu arbeiten. Frühere Schulfreunde, die nach der Schließung „ihrer“ Militärhochschule in den Widerstand gingen, bezogen sie in diese Arbeit ein. Sie war an illegalen Sendungen beteiligt, mit denen Informationen über die Widerstandsbewegung verbreitet wurden. Nach jeder Sendung musste der Standort gewechselt und der Sender an einen anderen Ort transportiert werden. Das übernahm Libusé.

Am 6. Oktober 1941 wurde sie an ihrem Arbeitsplatz verhaftet. Ohne Gerichtsverhandlung und also ohne Urteil wurde sie nach Ravensbrück deportiert, wo sie am 28. November 1941 ankam.

Sie wurde eine „Verfügbare“, musste zuerst in der Strohflechterei, dann in der Näherei arbeiten. Da sie vier Sprachen beherrschte, wurde sie dann im Krankenrevier als Übersetzerin für den SS-Arzt Dr. Percy Treite eingesetzt.

Sie berichtete später über die Möglichkeiten, die sie als Revierarbeiterin gemeinsam mit allen anderen Häftlingen im Revier hatte: Sie selbst konnte unpräzise übersetzen, die Häftlingsärztinnen falsche Diagnosen stellen, die Krankenschwestern konnten Karten („Bettkarte“, „Revieraufnahme“, „Innendienst“) vertauschen. Häftlingen konnte eine „Pause“ verschafft werden, sie konnten vor Transporten bewahrt oder auch gezielt auf Transporte geschickt werden, um Schlimmeres möglicherweise zu verhindern u. a.

Am 28. April 1945 wurde sie mit den letzten Häftlingen aus dem Lager getrieben und auf den Todesmarsch geschickt. Von Soldaten der Roten Armee befreit, wurden viele Tschechinnen in Züge in Richtung Prag gesetzt.

In Roudnice auf dem Bahnhof wurde sie von Ihrer Mutter abgeholt und dann sind sie zu zweit durch die kleine Stadt gegangen. „Es war wie ein Staatsbesuch. Jeder umarmte mich und hieß mich willkommen. Jeder freute sich, dass ich es überstanden hatte.“

Libusé hat später doch noch Pharmazie studiert und erfolgreich abgeschlossen.

(Quelle: Loretta Walz, „Und dann kommst du dahin an einem schönen Sommertag“. Die Frauen von Ravensbrück“, S. 146 – 168; Verlag Antje Kunstmann GmbH, München, 2005)