Vera Hozáková geb. Fialová

28.10.1917 (Hradec Králové)

Architektin

Ravensbrück: 14. Januar 1942 – April 1945

Gestaltete 1944, gemeinsam mit Vlasta Kladivová, heimlich eine Handschrift mit Gedichten und Liedern von Häftlingen aus verschiedenen Ländern mit dem Titel«Evropa v boji 1939 - 1944» (Europa im Kampf. 1939-1944).

Sie gehörte auch zu den Frauen, die im Herbst/Winter 1944 im KZ Ravensbrück für die Kinder eine Weihnachtsfeier organisierten. Sie führte die Puppen des Kasperletheaters.

Vor einigen Jahren schrieb sie ihre Erinnerungen nieder, um Zeugnis abzulegen und um die Nachkommenden zu ermutigen, für alle Zeit „Lüge, Demagogie, Herdentrieb und kollektive Verantwortlichkeit abzulehnen.“

Vera Hozáková, 2004; Foto: W. Reiher
Vera Hozáková, 2004; Foto: W. Reiher

Vera Hozáková (Fialová) wurde am 28. Oktober 1917 geboren. Ihre Eltern waren beide Schneider und der Vater außerdem Hausmeister im Stadttheater. Schon ab 1936 war Véra in einer Gesellschaft der Spanienhilfe gegen Diktator Franco politisch aktiv. 1937 schloß sie ihre Ausbildung an einer Schule für Baugewerbe ab und begann ab 1938 ein Studium an der Technischen Hochschule für Bau und Architektur in Prag. Im selben Jahr wurde sie Mitglied der Kommunistischen Partei.

1939, nach der deutschen Okupation, wurde die Kommunistische Partei verboten. Verá arbeitete zusammen mit Jozef Smrkowsky illegal in der KPČ.

Im November 1939 wurden die Hochschulen geschlossen, Verá fand Arbeit in einem Planungsbüro.

Am 17. Juli 1941 wurde sie durch die Gestapo verhaftet. Ihr wurde der Kontakt zu Josef Smrkovsky, für den sie Verbindungsglied zur Partei war, zur Last gelegt. Ein halbes Jahr lang war sie im Prager Gefängnis Pankrác inhaftiert und verhört. Von dort wurde sie am 14. Januar 1942 mit sechzig weiteren Frauen in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert.

Zuerst musste sie in der Müllkolonne arbeiten, dann in der Gärtnerei und in der Strohflechterei. auch bei schweren Erdarbeite wurde sie eingesetzt. Einige Zeit arbeitete sie in der Kunstgewerbeproduktion.

Ab Herbst 1943 wurde sie als technische Zeichnerin in der Bauleitung des KZ Ravensbrück eingesetzt, da sie als Architekturstudentin gute Voraussetzungen hierfür mitbrachte.

Sie schrieb zahlreiche Gedichte, von denen nicht alle erhalten blieben. Auch an dem von Anička Kvapilová geleiteten illegalen Chor nahm sie teil. Für sie waren es die Gedichte, die Freundschaften und die feste Hoffnung auf eine Zukunft, die ihr halfen, das Konzentrationslager zu überleben.

Gemeinsam mit Vlasta Kladivová fertigte sie während der Haftzeit in Ravensbrück eine Handschrift mit Gedichten und Liedern von Häftlingen aus verschiedenen Ländern. Die Gedichte wurden von Vlasta Kladivová zusammengetragen und von Vera Hozáková niedergeschrieben. Das so entstandene Heft wurde von Vera mit einigen Zeichnungen illustriert und erhielt den Namen «Evropa v boji 1939 - 1944» (Europa im Kampf. 1939-1944). Durch ihre gemeinsame Arbeit in der Bauabteilung hatten sie Zugang zu gutem Papier, Tusche und Farben; sie organisierten sich Stoff und Karton zum Binden des Büchleins. Es gelang ihnen, diese Handschrift vor einer Entdeckung zu bewahren und nach der Befreiung nach Prag mitzunehmen.

Vera Hozáková gehörte auch zu den Frauen, die im Herbst/Winter 1944 im KZ Ravensbrück für die Kinder eine Weihnachtsfeier organisierten. Sie erinnerte sich:

"Bald sind Weihnachten, und im Lager sind an die 400 Kinder – von denen einige nichts anderes kennengelernt haben als Gefangenschaft und Lager. Kinder, die nicht wissen, was Familie ist – sie kennen die Worte Papa, Oma nicht – sie kennen nur die Mama, die eigene oder die „Lagermutter“. Die Mama, die verzweifelt um ihr Leben kämpft – oft ein vergeblicher Kampf. Sie kennen nicht das Gefühl des Sattseins, der sicheren Wärme – wissen nicht, was ein Ball, eine Puppe ist. Die Worte Stadt, Brücke, Fluß, Schönheit sagen ihnen nichts. Sie kennen nur die Mama, sie ist der einzige warme Platz, die einzige Zuflucht im Leben hier – in diesem Nichtleben. ... ...

Und dann kam der Einfall, ein Puppentheater zu bauen. Mit Květa, einer Malerin, sitze ich abends im Arbeitseinsatz, und unter unseren Händen entstehen weitere Puppen – eine Prinzessin, ein Prinz, ein Kaspar, ein Teufel, Räuber, ein Drache … Wir ziehen sie über die Hände, und schon sind sie lebendig. Die ersten Zuschauer sind die Mädchen um uns herum. Zumindest für eine Weile reißen wir sie aus der endlosen Arbeit, zumindest für einen Moment erhellt ein Lächeln ihre Gesichter. Welch eine Sehnsucht liegt in den Bewegungen des Prinzen und der Prinzessin. Květas Sehnsucht nach ihrem Honza. Die Mädchen in den Werkstätten bauen den Schaukasten, Tonička aus Wien schreibt ein Märchen. Wir spielen in dem nicht fertiggebauten Kinderblock, in einem riesigen, leeren unfreundlichen Raum. Felicie spielt auf der Gitarre, und Erika erzählt mit ihrer schönen Stimme das Märchen vom Kaspar und den Räubern. Ich sitze mit Květa im Kasten, und die Puppen an unseren Händen bewegen sich zu Erikas Worten. Mit Gitarrenakorden endet das Spiel. Es ist still. Durch eine Ritze im Vorhang schauen wir auf die leuchtenden Augen. Sie sind noch ganz in der anderen Welt, in einer ihnen unbekannten Welt, die aber auch für sie Freude und Schönheit bedeutet – den Sieg des Guten über das Böse."

Nach der Befreiung blieb Vera Hozáková noch bis Ende Mai 1945 in Ravensbrück, um im Krankenrevier zu helfen.

Über die Zeit danach schrieb sie in ihren Aufzeichnungen im April 1999: "Nach meiner Rückkehr (im Mai 1945 nach Prag) arbeitete ich als Assistentin an der Hochschule für Bau und Architektur. Weihnachten heiratete ich Bedřich Hozák, und 1948 wurde unser erster Sohn, 1950 der zweite und 1952 meine Tochter geboren. Ab Februar 1948 lernte ich den sowjetisch geprägten "realen Sozialismus" in der Praxis kennen und hörte auf, an ihn zu glauben. Ich lehrte an der Gewerbeschulefür Bauwesen (in Hradec Králové) als Professorin. Ab 1964 war ich als Inspektorin imBezirksamt für Bau-Fachschulen zuständig. 1968 begrüßte ich den "Prager Frühling", und später verurteilte ich die Invasion der "brüderlichen Armeen".1970 wurde ich aus der KPC ausgeschlossen, aller Funktionen enthoben und bekam Lehrverbot. So arbeitete ich als Putzfrau in der Volksschule,später als Näherin in einer Kürschnerei. Seit 1972 bin ich nicht mehr berufstätig, ich blieb zu Hause und betreute meine Enkelkinder. Heute habe ich acht Enkel und drei Urenkel. Seit dem Tod meines Mannes imJahr 1974 lebe ich in der Familie meiner Tochter. Jetzt lese ich, was während der Zeit des Totalitarismus nicht erscheinen durfte. Und solange es meine Hände erlauben,zeichne ich Muster für Handarbeiten. Aber am liebsten bin ich in der Natur, in der Hütte am Fluß und im Wald."

Vera Hozáková schrieb ihre Erinnerungen nieder, um Zeugnis abzulegen und um die Nachkommenden zu ermutigen, für alle Zeit „Lüge, Demagogie, Herdentrieb und kollektive Verantwortlichkeit abzulehnen.“

Quellen: Vera Hozáková, geborene Fialová: Und es war doch … / To preče bylo … Hrsg. v. d. Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, 1995. S. 40-41 und Aufzeichnungen von Véra Hozáková vom April 1999, veröffentlicht im Ravensbrück-Kalender 2000 und Constanze Jaiser, Jacob David Pampuch (Hrsg.), „Europa im Kampf 1939-1944. Internationale Poesie aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück.“ ,S. 184, 2005 Metropol Verlag, ISBN 3-936411-61-1